Unfassbare Wahrheit


In ihrer Papierinstallation "Unfassbare Wahrheit" richtet Anke Mühlig die Aufmerksamkeit auf das, was mit Worten nicht gesagt wird und statt dessen zwischen den Zeilen steht.

1420 DinA4 Seiten, bedruckt mit dem Gedicht "Unfassbare Wahrheit", wurden von Hand zu über 3 m langen Textbändern geschnitten. Anläßlich der Ausstellung VACAT 2011 bilden sie die filigrane, halbtransparente Wandbegrenzung für einen 2X3 m großen Raum im Raum.

Der Raum ist leer - bis auf den weißen Stuhl, den die Künstlerin für die Lesung besetzt.

In dieses "Gefängnis" ohne Ein- oder Ausgang ist der innewohnenden Gedanke nur scheinbar einsperrt. Buchstaben und Worte versuchen zwar einen Inhalt festzuhalten oder sogar "in Fesseln zu legen", aber die Wahrheit läßt sich kaum fangen und schon gar nicht knebeln , sondern lugt stattdessen immer wieder zwischen den Worten hervor.


Der Raum wird zum Klangkörper, aus dem die Autorin den Text nicht nur dem Auge, sondern auch dem Ohr des Betrachters anbietet.

Der sich aus den von der Decke bis zum Boden schweifenden Papierlinien ergebender Rhythmus, spiegelt sich im Sprachrhythmus der Lesung. Der Papierraum wird zum WortRaum.

Aber das Gedicht ist nicht nur an den Papierwänden zu lesen und immer wieder zu hören. Es durchdingt die Wand im wahrsten Sinne des Wortes auch als Textblatt.

Die Repitition des Textes spiegelt sich im Schattenwurf der Textbänder, die sich von der Vertikalen in die Horzontale fortsezten.

Die inszenierte Lesung, spätestens seit dem Hildesheimer Prosanova-Festival zur eigenständigen Kunstfrom avanciert, übersetzt den Text in den Raum und bietet dem Zuhörer und Betrachter eine Texterfahrung für mehrere Sinne. J.Schneider hält dabei "den Grat, der zwischen der Überformung eines Textes und seinem Herabsinken zur Dekoration verläuft, für schmal". Hier ist die Kunst des lyrischen Vortrages auf Eindringlichste gelungen . Text-Lesung und Installation vereinen sich zu einer erlebbaren sprachlichen Erfahrung.

Beim Abbau der Installation entsteht ein Wortwall.

Einzelen Textbänder fallen, Kalligraphien ähnlich, in den Innenraum des Wortwalls.



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